Cay-Robert Malchartzeck
cmalchartzeck@t-online.de
Atlantikquerung auf SY NONO
Von San Miguel, Teneriffa nach Le Marin, Martinique
Mittwoch, 16.11.2011
Countdown. Nur noch 4 Tage, dann geht es los
Vorbereitungsliteratur:
Aebi, Tania - Die Welt im Sturm erobert
Blanke, Wolfgang - Aussteigen - Philosophie des Fahrtensegelns
Burkhardt, Sibille - Suche Schiff...egal wohin
Chistester, Sir Francis - Held der sieben Meere
Clarke, D.H. - Sie waren die ersten
Coles, K.Adlard - Schwerwettersegeln
Erdmann, Wilfried - Mein Schicksal heißt ´Kathena´
Erdmann, Wilfried - Allein gegen den Wind
Erdmann, Wilfried - Ostsee-Blicke
Erdmann, Wilfried - Nordsee-Blicke
Erdmann, Wilfried - Tausend Tage Robinson
Erdmann, Wilfried - Die magische Route
Habeck, Hans - Mal seh´n wie weit wir kommen
Hirche, Kinsberger - Vom Alltag in die Südsee
Hirche, Kinsberger - Blauwassersegeln heute
Hirche, Rüdiger - Amateurfunk an Bord
Kolumbus, Christoph - Bordbuch
Mac Athur, Ellen - Ich wollte das Unmögliche
Mercy, David - Berserk
Moitessier, Bernard - Der verschenkte Sieg
Röttgering, Uwe - Die See gehört mir
Roever, Judith u. Sönke - hippopotamus.de
Roever, Judith u. Sönke - 1200 Tage Samstag
Schenk, Bobby - Achtzigtausend Meilen und Kap Horn
Schenk, Bobby - Blauwassersegeln
Schult, Joachim - Erstleistungen deutscher Segler
Sobel, Dava u. Andrews, J.H. - Längengrad
Sprungala, Radtke - Zwei Männer und viel Meer
Stuemer, Diane - Das Glück war jeden Tag an Bord
Fragen habe ich nun keine mehr, jetzt möchte das nun einfach mal in der Praxis erleben. Von besonderem Interesse:
Astronavigation, Batteriemanagement, Wassermanagement, Wetterfunk.
Montag, 21.12.2011
Im Café beim Hafenmeister wurde Kaffee getrunken, dann ging es gleich zum Einkauf in den nahegelegenen Supermarkt.
Insgesamt füllten sich mindestens neun große Einkaufswagen mit Getränken und Lebensmitteln, die Kassiererin machte ihre
persönliche Höchstmarke von 972,- € für eine einzige Rechnung. Damit dürften wir keinen Mangel erleben, auch wenn der
Törn etwas länger als geplant verlaufen sollte. Der Skipper und die Youngsters gingen noch zum Essen aus, ich machte es mir
gemütlich an Bord mit Serano Schinken und einem Glas Rotwein.
Dienstag, 22.11.2011
Morgens gab´s noch ein ordentliches Frühstück, dann ein letztes Email-Checken, ein vorerst letzter blog-Eintrag, und wir
waren startklar. Bei schwachen Wind abgelegt, schon kurz hinter der Hafenmole erhebliches Schaukeln. Das Boot wiegte sich
im Wind, die schiere Masse sorgte für ruhige Bewegungen. Schon bald erreichte die See ca. 3 Meter Höhe, entsprechend
stark das Rollen. Der Wind ließ sich auch nicht lumpen und wehte mit ca. 7 Beaufort, recht sportlich für den ersten Segeltag.
Wir machten aber gute Fahrt, das sollte für ein gutes Etmal sorgen. Mir gefiel´s. Gegessen wurde an diesem Tag wenig und
nicht alle konnten das Wenige behalten. Die Stimmung aber konnte das nicht trüben. Am Abend begann das Wachegehen,
zwei Crewmitglieder für jeweils vier Stunden.
Mittwoch, 23.11.2011
Meine Wachen fingen immer mit dem neuen Tag an, von Mitternacht bis 4:00 Uhr. Roberto, Mitarbeiter einer großen
deutschen Fluglinie mit peruanischen Wurzeln, ging mit mir Wache. Wir wechselten uns zu jeder vollen Stunde am Steuerrad
ab. Den größten Teil der ersten Nachtwache ging ich Ruder, da Roberto noch etwas mit Seekrankheit zu kämpfen hatte. Zum
Schluss hatte ich sehr starke Schmerzen in der rechten Schulter. Dabei war es keineswegs kalt, aber der Wind nahm
zwischenzeitlich bis auf 8 Beaufort zu. Umso toller der Eindruck: manches Mal rauschte es gewaltig von achtern her und eine
Riesenwelle surfte unter dem Boot durch. Da der Kompass ziemlich hell erleuchtet war, konnte man von der See nur wenig
erkennen, eine schwarze Masse in heftiger Bewegung. Dafür erstrahlte ein wunderschöner Sternenhimmel. Um 4:00 Uhr fiel
ich in die Koje.
Frühstück: Tee gekocht, zum Kaffeekochen zu starke Dünung. Wache von 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr, mäßiger Wind bei
Restdünung. Kaffee mit schönem Schokokuchen. Abendessen Spaghetti Bolognese und Salat. Es kam ganz langsam etwas
Routine rein...
Donnerstag, 24.11.2011
Das Wachegehen war nicht sehr angenehm auf unserem schweren Schiff, das auf Ruderdruck nur langsam reagierte.
Entsprechend häufig lief es aus dem Ruder. Kein Vergleich mit der Pinnensteuerung bei mir an Bord. Ungeduldig wartete ich
darauf, dass Robereto übernehmen würde. Schön war, dass wir viel klönten und uns so wach halten konnten. Am Vormittag
nahm der Wind weiter ab, die See beruhigte sich, und der Skipper ging auf Vorwindkurs. Die Segel wurden ausgerefft,
allerdings machten wir trotzdem nur wenig Fahrt. Bei 4 kn würde es endlos dauern, bis wir die restlichen 2500 sm bis zu
unserem Ziel erreichen würden. Glücklicherweise frischte es am Abend weiter auf, sodass wir einen Teil wieder gut machen
konnten. Dann um 14:00 Uhr wurde die Schleppangel ausgeworfen, und tatsächlich biss bereits nach gut einer Stunde ein
Fisch an. Skipper Bernd musste mit aller Kraft die Angel halten, und nach einigen Minuten kam ein wunderschöner, in
leuchtendem Grün und Blau schillernder Fisch in Sicht. Micha sollte ihn packen, das Prachtstück war bereits auf der
Badeplattform aus dem Wasser gezogen, dort zappelte es aber heftig und konnte sich befreien. Bedauern und Freude darüber
hielten sich die Waage. Kurz vor dieser spannenden Aktion sichtete Roberto den Blas eines Wals, zu dem Zeitpunkt noch weit
voraus. Das Tier näherte sich aber unserem Kurs, und wir konnten erkennen, dass es eine Gruppe von Walen war. In einigen
hundert Metern drehten sie ab, vorher noch mit der Schwanzflosse grüßend :) Als nicht so schön stellte sich heraus, dass der
Generator an Bord einen Defekt hatte. Warmwasser bereiten, duschen, Batterien aufladen usw. würde nicht mehr ganz so
elegant erledigt werden können.
Am Abend wieder gemeinsames Essen im Cockpit, Tortellini und Salat. Frohe Stimmung, viel Lachen, Zufriedenheit an Bord.
.
Freitag, 25.11.2011
Wachegehen wieder zu dieser unchristlichen Zeit, brr. Dafür gute Bedingungen, 6 Beaufort, Passatbesegelung, 5 kn Fahrt.
Bernd, unser Skipper, war sehr bedacht darauf, das Material zu schonen. So fuhr er lieber mit etwas weniger Segelfläche und
nahm Geschwindigkeitsverlust in Kauf. Mehrfach schlug ich vor, etwas mehr auszureffen, dadurch fühlte er sich aber genervt.
Er stellte klar, dass er die Verantwortung hatte. Es war seine Erfahrung, die mich einsehen ließ, weitere Vorschläge zur
Seemannschaft wollte ich aber nicht mehr unterbreiten. Stattdessen widmete ich mich einmal mehr der Pantry. Solch ein Törn
war keinesfalls etwas für Hygienefreaks. Man konnte nur schwer die eigentlich nötige Sauberkeit einhalten, die Spüle, der
Kühlschrank, die Arbeitsflächen, die Toilette etc, das Reinigen fiel schwer wegen der ständigen Schaukelei und der Enge.
Trotzdem gaben sich alle große Mühe, alles so sauber wie möglich zu halten. Immer wurde gute Backschaft gemacht und das
gebrauchte Geschirr schnell gespült.
Wir kamen gut voran an diesem Tag zumal der Wind stetig zunahm. Um 18:00 Uhr nahmen wir sogar das komplette
Großsegel runter, liefen allein mit gereffter Genua noch 6 kn.
Am Abend kochte Roberto Kartoffelsuppe, sehr lecker.
Samstag, 26,11,2011
Um Mitternacht stand Bernd am Steuer anstatt einer der Jungs. Es hatte wieder gewaltig aufgefrischt mit Boen von 45 kn,
Windstärke 9! Die Wellenberge türmten sich und die schwarze See wurde unheimlich. Die Fock stand nur noch mit ca. 3 qm,
entsprechend langsam kamen wir voran. Erst ging Roberto Wache, dann folgte ich mit einem etwas mulmigen Gefühl. Aber
das Boot reagierte wie auch sonst sehr gutmütig. Es war einfacher als gedacht, über die Wellenberge und – Täler zu steuern.
Derweil konnte sich der Skipper etwas ausruhen, denn den Mädels, die turnusmäßig nach unserer Wache dran waren, wollte
er das Steuern unter diesen Bedingungen nicht zumuten. Robertro und ich verabschiedeten uns in die Kojen, nur noch schnell
der Logbucheintrag und schon konnten wir versuchen, etwas Schlaf zu finden. Bei der starken Schaukelei und Krängung war
das jedoch nicht möglich.
Um 7:00 Uhr stand ich auf und lugte aus dem Niedergang. Der Wind hatte sich nicht gelegt, und Bernd stand immer noch am
Steuerrad, nun bereits drei Stunden lang. Natürlich bot ich an zu übernehmen, was er dankend annahm. Um 8:00 Uhr bei
aufgehender, wunderschöner Morgensonne sah die Wasserwelt für Jürg und Micha auch nicht mehr so bedrohlich aus, und es
bedurfte nicht viel, sie zum Steuern in ihrer Wache zu überreden. Ich verzog mich wieder unter Deck, genoss ein schönes
Frühstück.
Heftiger Wellengang, Schiff verhielt sich sehr gutartig. Eigentlich der perfekte Wind aus Ost-Nord-Ost. Der Skipper blieb seiner
Devise treu, früh einreffen, spät ausreffen. Daher kamen wir nur mit ca. 4 kn voran. Ich fing an mit einem neuen Buch, einem
Geburtstagsgeschenk: Eine Frage der Zeit von Alex Capus. Der Roman handelte über das koloniale Deutsch Ost-Afrika, dort
war ich ja gerade ein Jahr zuvor unterwegs.
Abends gab´s die kleine große Küche aus der Schweiz von Antje und Jürg: Mozarella mit Tomaten, Paprika-Tomaten-Risotto,
frische Ananas und Schokolade. Fröhliche Runde am Cockpittisch. Wichtigstes Gesprächsthema: Schnarchen. Die Damen
leugneten, überhaupt Laute von sich zu geben, die Herrn gaben unumwunden zu, das ein 4-stimmiger Chor im
Orchestergraben des Vorschiffs musizierte.
Sonntag, 27.11.2011
Wachwechsel um Mitternacht, immer noch Wind über 30 kn, Fahrt um die 4 kn. Irgendwann lugte der Skipper über die
Niedergangschotts, und – oh Wunder – er erlaubte, dass wir die Genua ca. 30 cm weiter ausrollen durften, was ca. 1 kn mehr
an Fahrt bedeutete. Die Wache zog sich trotzdem hin, Roberto nickte manchmal weg, auf seiner Wache hielt ich das
Gespräch in Gang, ließ die Gedanken in alle möglichen Ecken wandern. Es gibt nicht wenige, die auf meine gedanklichen
Ausschweifungen leicht verwundert reagieren. Roberto nahm´s gelassen und hörte sich alles ganz geduldig an :) Tiefer Schlaf
im Anschluss an die Wache.
Schönes Frühstück, lesen, photographieren, Kaffee trinken, Kuchen (Paletone, eine italienische Spezialität) essen,
Abendessen vorbereiten, ruhen und wieder Wache gehen. So sah nun der Bordalltag aus. Da war es eine Abwechslung, dass
ein Frachter uns recht nah an Steuerbord passierte und dass der I. Offizier uns per Funk anrief. Ich durfte auf UKW antworten.
So erfuhren wir, dass er von Lissabon nach Brasilien unterwegs war, dass wir wettermäßig keine Probleme zu erwarten
hätten. Er wünschte uns gute Reise. Sein Angebot, mit Ausrüstung oder anderen Dingen zu helfen, brauchten wir – Gott sei
Dank – nicht in Anspruch nehmen. Dann entschwand er langsam aber stetig in der sich spiegelnden Sonne hinter der Kimm.
Abends leckere Kartoffelpfanne von Micha, als Dessert Kaki-Frucht von Antje eingekauft.. Nach wie vor gute Stimmung an
Bord, alle waren ziemlich diszipliniert und gaben sich Mühe. Die Pantry wurde immer recht gut sauber gehalten, Geschirr
gleich aufgewaschen, hilfreiche Hände überall.
Dann zog ich mich in die Koje zurück, um noch etwas zu lesen. Inzwischen war sie mir durchaus vertraut und heimelig
geworden, obwohl ich sie in Ermangelung von Stauraum mit all meinen Sachen, Kleidung etc. teilen musste, also ein
ziemliches Chaos um mich herum.
Montag, 28.11.2011
Die Nacht erwartete Roberto und mich wieder mit viel Wind und wenig Segelfläche, d.h. ca. 4 kn bei bewegter See.
Inzwischen kannten wir das Boot gut genug, um zu wissen, dass das Steuern wieder schwierig werden würde. Der
Kompasskurs pendelte ca. 30 bis 40 Grad, anstrengend. Aber dann war auch diese Wache vorüber, noch den Logbucheintrag
um 4:00 Uhr und schon konnte ich nicht nur zum Ruhen, sondern zum richtigen Nachtschlaf in der Koje finden. Seit zwei
Tagen bewährte sich ein sog. Lee-Segel, das ein Herausrollen aus der Koje verhinderte.
Frühstück um 8:00 Uhr. Die Mädels verzogen sich wie gewöhnlich in die Achterkajüte, ohne noch darauf zu warten und etwas
zu sich zu nehmen. Der Skipper und ich, wir saßen im Salon und genehmigten uns Kaffee und Tee, Toast mit Schinken, Käse
und Marmelade.
Anschließend las ich mein Buch zu Ende, empfehlenswert. Eine Woche war nun vergangen, seitdem wir Teneriffa verlassen
hatten. Inzwischen machten sich die guten und die schlechten Seiten des Schiffes immer deutlicher bemerkbar. Die Doppel-
Türen der Schapps waren nur umständlich zu öffnen, das Süll in der Plicht hatte nur wenig Höhe, eine bequeme Sitzposition
war nicht möglich. Im unteren Rücken stieß man immer auf eine harte Kante, auf Dauer äußerst unbequem. Die Stäbigkeit war
natürlich ein Vorteil, nachteilig die daraus resultierend Geschwindigkeit. Es war nur zu hoffen, dass der kräftige Wind nicht
nachlassen und wir immer genügend Schub haben würden.
Am frühen Nachmittag legte der Skipper seine Freddy Quinn CD ein. Einige Songs wirkten sehr berührend in dieser
großartigen Umgebung, Die Youngsters konnten mit der Musik natürlich wenig anfangen, sie konterten später mit ihren
Lieblingssongs. Mir wurde das etwas zuviel mit der Musik.
Nachmittags dann wieder der Ruf: „Fisch an der Angel“. Alle stürzten an Deck, der Skipper bediente die Angelrute, auf der ein
mächtiger Zug lastete. Der Fisch hatte eine ganze Menge Schnur herausgezogen. Es dauerte eine Weile, bis Bernd Stück für
Stück unser Abendbrot näher zum Boot heranholen konnte. Schließlich war es soweit, er zappelte an Deck, mehrere beherzte
Schläge auf den Kopf, ein Schnitt durch die Kiemen, und die Goldmakrele lag fast küchenfertig bereit. Nur noch filettiert, die
Flossen abgeschnitten, in Stücke geteilt, alles in Mehl gewälzt, in der großen Pfanne kurz durchgebraten, dazu ein leckeres
Limetten-Risotto der Schweizer Crew, ein Gläschen Weißwein, die perfekte Mahlzeit!
Noch in den Nachmittagsstunden bekamen wir Besuch von einer Schule Delphine. Schon im Anschwimmen waren sie in ca. 1
m Tiefe gut zu erkennen, der ein oder andere zeigte sich kurz über Wasser, dann verschwanden sie wieder in den Weiten der
Atlantiks.
Dienstag, 29.11.2011
Starker Wind, aber gar nicht mehr kalt, ich verzichtete erstmals bei der Nachtwache auf mein Ölzeug. Seit gestern hatte der
Skipper nicht mehr ganz so viel Bedenken, etwas mehr Tuch stehen zu lassen. Das Groß hatte er zwar ebenfalls geborgen,
denn um 21:00 Uhr setzte wie schon in den Abendstunden zuvor ein heftiger Wind ein. Die Genua stand aber zu ca. 60 % und
das erlaubte ein flotte Fahrt von ca. 6 kn. In der Nacht wirkte das noch schneller als am Tag, wenn die Gischt der Bugwelle am
Schiff vorbei rauschte. Kurzweilige Wache.
Relativ langer Schlaf bis ca. 8:45 Uhr, anschließend Frühstück. Es waren noch Toastscheiben vom Vortag in der Backröhre,
die verarbeitete ich zu „Armer Ritter“, einem sehr beliebten Gericht der Nachkriegszeit. In Ei gewälzt, in der Pfanne gebraten,
lecker!
Morgens umscheren des Genuabaums von Backbord auf Steuerbord. Mein Käppi ging dabei über Bord, schade, ich mochte
es so gern. Nicht schlimm, hatte noch zwei weitere mit, wusste ja, wie schnell eines verloren gehen kann.
Viel Zeit zu lesen, zu dösen, zu ruhen...
Mirja, Studentin in spe und ich bereiten das Abendessen: Tomaten-Gurken-Salat, Penne mit fertiger Champignon-Soße.
Dabei kamen wir etwas ins Gespräch. Ich hatte mich gewundert, dass jemand fast ohne Vorerfahrung (sie war lediglich mal
mit einer Jolle auf dem Ammersee gesegelt) gleich einen Atlantiktörn mitmachte. Was für gestandene Skipper die Krönung
ihrer Segelkarriere bedeutet, einmal einen Ozean zu queren, das scheint die I-pad-I-pod-I-phone-Generation als nichts
Besonderes anzusehen, beneidenswerte Möglichkeiten. Sie reiht einfach eine Weltweit-Unternehmung an die andere: als
nächstes plante Mirja einen Kung-Fu Kursus in einem chinesischen Shaolin-Kloster. Auch die Königskrabben-Fischer in
Alaska dürfen mit einem Besuch rechnen. Zu ihrer Ehrenrettung muss gesagt werden, dass sie von Anfang an unseren
schwerfälligen Dampfer perfekt steuerte, ein Naturtalent, zweifellos eine intelligente, aufgeweckte junge Frau. Sie ist auch
Beweis dafür, dass segeln lernen eigentlich ganz einfach ist.
Mittwoch, 30.11.2011
Angenehm frischer, aber keineswegs kühler Wind empfing uns um Mitternacht, Regenzeug blieb wieder unter Deck.
Überhaupt segelte unsere NONO sehr trocken. Nur einmal schwappte bei meiner Wache zur allgemeinen Erheiterung ein
ordentlicher Schwall Atlantik-Wasser ins Cockpit :) , ansonsten blieb es auch bei hoher Welle absolut trocken. Die erste
Stunde verstrich wie im Flug, da erschien Skipper Bernd im Niedergang und bot an, Wache zu gehen, damit ich mich
ausruhen könne. Das nahm ich gerne an. So hatte ich mehr als reichlich Schlaf. Am Morgen hielt ich für richtig, mich mal
etwas gründlicher zu reinigen. Alle anderen hatten schon mehrfach eine Dusche aus der Pütz genommen. Ich zog die
Badehose an, bewaffnete mich mit Duschgel, Schampoo, Handtuch und der Pütz, setzte mich an Deck und goss mir das
Wasser eimerweise über den Kopf. Anschließend seifte ich mich ein und spülte mit weiteren Eimern nach, sehr erfrischend bei
angenehmen 27 Grad Wassertemperatur.
Die Aufregung der ersten Tage hatte sich nun weitgehend gelegt. Der Rhythmus des Wachegehens bestimmte den Bordalltag.
Segeltrimmen, Logbucheintrag, Backschaft, reinigen, lesen, sonnenbaden, Essen zubereiten, ein Plätzchen suchen an Deck
und die Aussicht genießen, die Angel ausbringen, duschen, Zähne putzen, photographieren, so verstrich die Zeit. Und wieder
biss ein Fisch an, wieder eine Goldmakrele, diesmal zubereitet mit Zwiebeln und in Weißwein gedünstet. Dazu gab es das
erste selbstgebackene Brot, welches allerdings nicht viel Anklang fand, es schmeckte gar nicht, schade.
Nachmittags stellte sich nun gewöhnlich eine gute Stimmung ein. Alle kamen an Deck ins Cockpit oder aufs Achterdeck, gerne
wurde Musik gehört. Die Anlage hatte tatsächlich einen guten Klang, die Musik des Tages lieferte das I-Phone von Jürg,
afrikanisch angehauchte, teils meditative Musik mit Jazz-Elementen, sehr interessant. Wir hatten uns geeinigt, dass täglich für
ein bis zwei Stunden das Rauschen des Meeres von Lautsprecherklängen übertönt wurde.
Nach dem Abendessen blieben wir noch eine ganze Weile im Cockpit sitzen, und wir bekamen das Thema MOB, Mann über
Bord, an den Wickel. Leider wurde es zum Teil mit Späßchen unterlegt, sodass eine ernsthafte Anweisung und Instruktion
ausblieb. Ich hätte gerne darüber gesprochen, ob ein Beidrehen ggf. das Manöver der Wahl wäre, stieß dabei aber auf
keinerlei Gegenliebe bzw. ohne Antwort des Skippers. Er unterstrich aber seine absolute Autorität besonders in diesem Fall, in
dem seine Anweisungen umgehend zu befolgen wären. Was passieren würde, sollte der Skipper über Bord gegangen oder
sonstwie handlungsunfähig geworden sein, mochte ich mir gar nicht ausmalen. Hoffentlich, sicherlich, würde dieser Fall nicht
eintreten. Bald darauf bei Wachwechsel löste sich der Kreis, ich ging in die Koje und schlief wiederum fest.
Donnerstag, 01.12.2011
Wie gehabt, ein frischer, durch den Atlantik auf angenehme Temperatur gekühlter Tropenwind, leicht gereffte Segel,
gemütliche Fahrt, alles bestens. Das Rudergehen fiel mir viel leichter als daneben zu sitzen und Ausschau zu halten. Immer
wieder nickte ich für kurze Zeit weg. Auch Roberto wurde kurzzeitig in seiner Freiwache vom Schlaf übermannt. Das Schiff lag
aber jederzeit sicher im Wasser, eine wirklich gutmütige Yacht. Der famose Sternenhimmel wurde nur von wenigen Wolken
verdeckt. Gelegentlich hatte ich den Eindruck, ein Licht fern an der Kimm zu erkennen, offensichtlich aber eine Täuschung.
Schlafen, Frühstück, Gespräch mit Micha über Gott und die Welt, so verstrich der Vormittag im Salon. Wie auch an den
Vortagen machte die Barfußroute auch an diesem Tag ihrem Namen alle Ehre. Trotz der 6 bis 7 Windstärken saß man an
Deck tagsüber in T-Shirt und Sandalen oder eben barfuß. Gedanken an Weihnachten absolute Fehlanzeige.
Am Abend gab´s Kartoffelsalat mit Würstchen. Gemütliches Gesprächsrunde im Cockpit. Unglaublich schöner Abendhimmel,
den wollten alle photographieren.
Freitag, 02.12.2011
Die Nachtwache wurde nun mehr und mehr zur Routine, fast angenehmer als in der Koje zu schlafen. In dieser Nacht wurde
es sehr stickig unter Deck, da alle Luken geschlossen bleiben mussten und die Außentemperatur nicht wirklich abkühlte.
Sonst nicht viel Neues, mittags backte ich einen Apfelkuchen, leider war nur noch ein einziger als verwertbar übrig geblieben.
Überhaupt hatten sich unser Vorräte nun deutlich verringert, manches Regal sah schon ziemlich leer aus. An Wasser und
Grundnahrung mangelte es aber nicht.
Am späten Vormittag ließ der Wind deutlich nach, von ca. 7 Beaufort auf ca. 4 Beaufort. Daher wurde alles Tuch ausgerefft.
Die Schwierigkeit bestand nun darin, bei dem schwachen Wind und der noch vorhandenen Dünung die Segel nicht zum
Schlagen zu bringen. Wir hofften, dass der Zeitplan noch eingehalten werden könnte. Für den kommenden Tag war „Halbzeit“
angesetzt, eine Flasche Sekt in das Kühlfach gelegt.
Abends: Bohnen: Chilli sin carne von Roberto gekocht, sehr lecker!
Samstag, 03.12.2011
Angenehme Nachtwache, warm, bewölkter Himmel. Dann am Morgen ein Schocker: Batterieabfall. Der Skipper schien schon
Tage zuvor leicht besorgt, hatte bereits das Licht unter Deck und andere nicht unbedingt notwendigen Stromverbraucher
abgeschaltet. Nachmittags dann der K.O.Schlag: Stromabschaltung, alle Instrumente aus, GPS aus (ein Hand-GPS als
Notgerät hätte man an Bord vergeblich gesucht!). Ein Reparaturversuch scheiterte, der Motor sprang nicht an!!! Jetzt bloß
keine Flaute!!! Da wir aber noch gute Fahrt machten, erschien es uns noch nicht als Drama. Auch ohne Positionsbestimmung
würden wir – wie Columbus – irgendwann auf Land stoßen. Wir machten uns Gedanken, ob Angehörige, die unser Signal
nicht mehr erkennen könnten, ggf. in Sorge und Panik gerieten. Erstaunlich, dass die Stimmung an Bord nicht litt, obwohl
vielleicht etwas verhaltener als sonst.
Da nun der Kühlschrank gar nicht mehr funktionierte, verarbeitete ich restlichen Gruyer- und Parmesankäse zu Kartoffelgratin.
Am Abend hatte man den Eindruck, dass bereits kurz nach Sonnenuntergang tiefe Nacht herrschte. Dabei war es gerade mal
19:00 Uhr. Unter Deck wurde es nun im Schein der Taschenlampen gespenstisch.
Sonntag, 04.12.2011
Nachtwache war easy, ich erwischte mich beim Zählen der Tage bis wir ankommen würden. Morgens hatten wir immer noch
keinen Strom. Dem Skipper war aber über Nacht eine zündende Idee gekommen. Der Generator war nicht komplett
ausgefallen und konnte nach notdürftiger Reparatur der Seewasserpumpe kurzfristig 2 Minuten laufen. In dieser Zeit
produzierte er genügend Strom, um die Hauptmaschine zu starten. Kurz und gut, das klappte! Große Erleichterung und
Freude! Nachmittags gab´s selbst gebackenen Mandelkuchen.
Antje, unsere Expertin fürs Brotbacken, backte auch eine Pizza mit Anchovis, dazu wurde zur Halbzeit eine Flasche Champus
geköpft, wir waren wieder obenauf. Lange haben wir noch im Cockpit gesessen, gute Stimmung, viel gelacht.
Montag, 5.12.2011
Nachtwache wieder ganz easy, guter Speed, Wolken statt Himmel, starkes Rollen. Unser Leben an Bord pendelte sich nun
langsam ein. Früh morgens kamen alle gemächlich in Gang, mittags bei großer Hitze wurde sonnengebadet, an Deck
ausgeruht, nachmittags sammelte man sich im Cockpit, dann kochen, essen, ein Bierchen, ein Glas Wein, Gespräch im
Cockpit bis ca. 21:00 Uhr, dann Nachtruhe.
Nachmitags kam wieder ein Wal in Sicht, leider war kein Stopp möglich, da die Segel ausgebaumt waren bzw. der
Bullenstander gesetzt war. Leider hatten wir auch an diesem Tag kein Anglerglück.
Dienstag, 6.12.2011
Lange Nachtwache, ich kämpfte mit dem Schlaf. Täglich lief nun die Hauptmaschine immer 1 –2 Stunden für die notwendigste
Stromversorgung, d.h. Instrumente. Unsere Position nahmen wir jeweils mittags. Mit den Taschenlampen kamen wir bestens
zurecht. Dass der water maker kein Süßwasser produzierte konnte man gut kompensieren durch die Salzwasserpumpe.
Dadurch war frisches, klares Atlantikwasser in jeder Menge verfügbar. Auch zum Kochen nutzten wir es bedenkenlos. Unter
Deck wurde es tagsüber sehr stickig, besonders wenn Luken wegen des Seegangs dicht sein mussten.
Zu unserer aller Überraschung war irgendwann ganz unbemerkt der Nikolaus vorbeigekommen und hatte jeder/m eine kleine
Toblerone in den Schuh gelegt! Das nahm ich zum Anlass, meine Nikolaus-Mütze hervorzukramen, die ich kurz vor Abreise für
0,59 ct bei Kik erstanden hatte. Wir hatten viel Spaß, sie reihum aufzusetzen.
Mittwoch, 7.12.2011
Kurzweiliges Steuern, keine Hemmung mehr, einzuschlafen. Kaum noch Gespräch, nur noch Hinweise.
Ich frischte mein Französisch auf durch einen Sprachkurs auf Kassette! Den 25 Jahre alten walkman hatte ich ebenfalls dabei.
Ob die I-pods auch so lange halten werden? Antje spielte auf ihrem etwas von „Mittermeier“ vor, das Zuhören war mühselig,
aber doch ziemlich witzig.
Abendessen: Bauernfrühstück, die Eier mussten weg.
Donnerstag, 8.12.2011
Nachtwache kurzweilig, ging schnell vorbei. Der Wind drehte auf Süd, wir segelten nun mit halbem Wind. Besuch am
Nachmittag von einem Reiher ca. 800 sm vor der Küste! Das Tier hatte sich wohl verflogen, es sah entkräftet aus.
Nachmittags „Mittermeier, die Zweite“. Im Laufe des Tages gab der Wind stark nach, ob nun die befürchtete Flaute kommen
würde? Ganz wenig Wind am Abend, später dann tatsächlich Flaute, wir mussten erstmals unter Motor laufen.
Abends gute Küche: Tintenfisch in Tintensoße, mit Tomaten und Zwiebeln, bereitet von Robereto und Jürg.
Freitag, 9.12.2011
In der Nacht regnete es ziemlich stark, später sogar Gewitter. Die Boen fielen leider von vorn mit bis zu 35 kn ein. Bernd
übernahm ab 3:00 Uhr meine Wache, so konnte ich frühzeitig in die Koje. Vom Motor hörte man vorn in meiner Koje nicht sehr
viel, nur das vertrauenerweckende Brummen eines starken Dieselaggregats.
Da manche unserer Vorräte langsam knapp wurden, nahmen Mirja und Roberto den Bestand auf. An Grundnahrungsmitteln
hatten wir noch reichlich. Wir hofften auf Fischfang. Skipper Bernd war weiterhin sehr konservativ im Ausprobieren und
Wechseln anderer Segelstellungen, schade, hätte uns vielleicht doch etwas schneller voran gebracht. Nachmittags war das
Klo verstopft. Micha brachte das wieder in Ordnung mit Handschuhen, trotzdem eklig. Wir frotzelten darüber, keiner wollte es
gewesen sein. Das Thema beschäftigte uns - mit viel Humor - noch Tage!
Obwohl das Wetter nun verrückt spielte und von einem steten Passatwind keine Rede mehr sein konnte, sondern auch
Schauerboen übers Deck fegten, saßen wir in fröhlicher Runde bei Bier, Wein und Gin Tonic. Hatten wir in der ersten Woche
so gut wie keinen Alkohol konsumiert, so schraubte sich der Pegel allmählich etwas höher.
Samstag, 10.12.2011
Nachtwache mit Regen, aber warm, trozdem Ölzeug, Fahrt immer noch unter Motor. Roberto versuchte nachts, das
Kuttersegel anzuschlagen, vergebens. Wieder kam Bernd herauf, ich konnte noch einmal vorzeitig in die Koje. Dann um ca.
7:00 Uhr Bordzeit, gleich UTC, mitten im Dunkeln, tönte das Motorsignal. Er wurde sofort ausgestellt. Segel wurden gesetzt,
ohne Wirkung. Unser Kahn bewegte sich nicht von der Stelle, wir dümpelten mitten auf dem Atlantik! Skipper Bernd füllte
Wasser in den inneren Kühlkreislauf der Hauptmaschine nach, dann lief er wieder. Nicht auszudenken, wenn der ausgefallen
wäre. Bei Wind unter 3 Beaufort wären wir nicht vom Fleck gekommen! Und ca. 600 sm lagen noch vor uns! Ein Frachter
kreuzte mit Kurs 145 Grad, ohne dass wir ihn sehen konnten. Vermutlich war er nach Kapstadt unterwegs. Die Fahrt zog sich
nun schleppend hin, ständiges Motorgeräusch, geschlossene Luken, stickige Luft unter Deck. Die Hygiene ließ mittlerweile zu
wünschen übrig, obwohl, trotz allem noch gute Backschaft gemacht wurde. Das Geschirr wurde immer sofort abgewaschen.
Vermutlich wäre es fast besser gewesen, es nicht mit dem Geschirrtuch abzutrocknen, sondern einfach trocknen zu lassen.
Am Himmel mal wieder tolle Wolkenbilder! Sehr schöner Sonnenuntergang, Mirja machte Popkorn. Leider wieder kein Fisch
an der Angel.
Sonntag, 11.12.2011 3. Advent
Nachtwache unter Motor, Regenschauer, ich zählte runter, vermutlich noch 4 - 5 Tage, hakte innerlich ab, wollte nun nur noch
ankommen. Segel setzen, Segel bergen, unter Motor laufen, das Spiel setzte sich unentwegt fort. Fast in jeder Wache ging
nun ein heftiger tropischer Regen runter, eigentlich gar nicht unangenehm, da warm.
Nachmittags ein sehr leckerer Adventskuchen von Antje und Roberto, auf dem sie sogar mit Rosinen „NONO“ aufgeschrieben
hatten, mit Safran, Aprikosen und Datteln. Auch das Brot, welches Antje gebacken hatte, gelang ihr immer besser, mit Oliven
und etwas Olivenöl. Dann seit Langem mal wieder eine große Goldmakrele an der Angel, super! Diesmal in Alufolie mit
Knoblauch, Olio, Salz und Pfeffer im Ofen zubereitet, dazu gab´s Safranrisotto von Antje und Jürg, perfekt!
Montag, 12.12.2011
In der Nachtwache mächtige Wolkengebilde, die schnell vorbeizogen,
ein Tag ohne Besonderheiten, alle warteten auf unsere Ankunft.
Dienstag, 13.12.2011
Nachtwache klatschnass, es regnete ununterbrochen, anfangs sehr starker Wind 7 – 8 Beaufort, dann Richtungswechsel
schwach umlaufend. Mittags immer noch kein Wind, wieder unter Motor.
Mirja drängte darauf zu baden, Wassertiefe über 5000 m. Sie meinte die tiefste Stelle unserer Überfahrt ausfindig gemacht zu
haben.
Entspannter Nachmittag, mit schöner Musik, Pavarotti and Friends.
Abends verarbeitete ich die letzten Kartoffeln zu Gnocchi, dazu gab´s Champignons aus der Dose. Beifallstürme blieben aus,
ich war aber trotzdem ganz zufrieden mit den Gnocchi.
Dann kam die Idee auf, eine Flaschenpost abzusetzen. Alle zusammen fanden wir im Cockpit sitzend einen Text, der mehrere
Lachsalven auslöste, wir hatten viel Spaß, fügten noch die Email-Adressen hinzu. Roberto wickelte alles noch einmal ein mit
dem Hinweis, dass das eine Flaschenpost sei (er war in allem so umsichtig und gründlich), Micha drückte den Korken richtig
tief in die Flasche und Mirja versiegelte alles mit Wachs. Fertig war die Post. Das Abschicken, d.h. ins Wasser lassen, sollte
anderntags mit einer kleinen Zeremonie erfolgen.
Mittwoch, 14.12.2011
Sehr entspannte Nachtwache, da vermutlich die letzte vor dem Landfall. Die Zeit verstrich wie im Flug. Ich ruhte bis spät in
den Morgen. Mittlerweile hatte sich die Bordzeit nach UTC soweit von der Ortszeit entfernt, dass man sich nicht mehr richtig
orientiert fühlte mit den Essenszeiten.
Ein schöner Tag mit viel Sonne und wenig Wind, also wurde wieder unter Motor gelaufen. Der fiel nach einer gewissen Zeit
immer mal wieder aus. Diesmal waren wir nicht sehr beunruhigt, denn wir wussten, dass wir es bis zum 16.12. locker schaffen
würden, auch wenn sich unser Schlachtschiff bei Schwachwind kaum bewegte. Plötzlich erschien wie aus dem Nichts ein
Motorboot mit ziemlicher Geschwindigkeit. Der Skipper ließ uns an Deck kommen, damit wir uns zeigten. Wer konnte schon
wissen, mit welcher Absicht hier Leute 50 sm vor der Küste herumkreuzten. Aber keine Panik, so schnell wie das Boot kam
war es auch wieder verschwunden.
Dann am Nachmittag wurde es dem Skipper zu bunt, immer wieder Ausfall des Motors, Segel setzen, Motor starten, Segel
bergen, wieder Ausfall usw. Er entschloss sich, die Dieselfilter zu wechseln, ein schweißtreibender, stinkiger Job, den er lieber
bis Martinique aufgeschoben hätte. Unter Deck stand ein schwerer Dieselgeruch im Raum, wer konnte hielt sich an Deck auf.
Roberto assistierte in wunderbarer Weise, und es dauerte nicht allzu lange, da schnurrte der 90 PS Diesel wieder gewohnt
kraftvoll und vertrauenserweckend.
Wir näherten uns unaufhaltsam Martinique, als Micha als erster Land sichtete, den Montagne Pelée. Als kaum erkennbare
Silhouette erschien der Berg auf der Kimm. Landfall! Wir zückten die Photoapparate, hielten diesen besonderen Moment fest.
Tolles Gefühl, nach 23 Tagen wieder Festland zu sehen.
Mit ca. 5 – 6 kn schipperten wir in den Abend hinein, Unter Deck gab sich Roberto mal wieder die Ehre und kochte die beliebte
Bohnensoße mit süß-sauren Zwiebeln, hm. Das Bier und der Wein schmeckten an diesem Abend besonders gut.
Als wir bereits am späten Nachmittag die Brandung erkennen konnten, also schon weniger als drei Meilen vor der
Südostküste standen, gab es eine letzte Konfusion. Der Skipper vertraute der GPS Position und wähnte uns noch ca. 26 sm
von der Küste entfernt! Er segelte immer noch mit der Überseglerkarte! Mit der vorhandenen Detailkarte von Martinique ließ
sich in unserer Position nicht navigieren! Wir waren zweifelsfrei in der Bucht südlich von Le Marin angekommen. Es war
mittlerweile dunkel geworden, der Mond war noch nicht aufgegangen und das Risiko, bei Nacht in ein unbekanntes Gewässer
einzulaufen, wollten wir nicht in Kauf nehmen. Die Genua wurde gerefft, wir drifteten bei Windstille vor der Küste und warteten
auf das Morgengrauen. Es war eine wunderbare Tropennacht mit einem klaren Himmel. Fast im Minutentakt kamen die
Sternschnuppen runter, so viele Wünsche konnte man gar nicht haben. Die Ankerwache teilte sich nun stundenweise die
ganze Crew, meine Stunde war gleich die erste, sodass ich schon bald schlafen gehen konnte.
Donnerstag, 15.12.2011
Schon am frühen Morgen waren alle an Deck, um endlich einzulaufen. Mit langsamer Fahrt ging es nun in die Bucht und in die
Marina von Le Marin, durch ein riesiges Ankerfeld mit unzähligen Yachten rechts und links des Fahrwassers. Am Ufer Palmen
bewachsene Strände mit Hotel Resorts. Dann ein Schwimmdock-Frachter mit vielen exklusiven Yachten an Bord. Später
steuerten die Luxusschiffe die Tankstelle an, unglaublich große Motoryachten. Aber manche Segelyachten standen den
Motoryachten nicht nach, lagen vor Anker bzw. am Steg. Eine Swan 100 z.B. und ein nagelneuer Zweimaster. Tolle Schiffe.
Die Crew an Deck erschienen winzig.
Über den Hafenmeister erhielten wir unseren Liegeplatz, das Anlegemanöver klappte gut und wir waren fest, nach 24 Tagen
auf See, hurra! Antje und ich gingen zum Einklarieren zur Zollbehörde. Über PC füllten wir das Datenblatt aus und erhielten
die Stempel in unseren Pässen. Dann nur noch der Gang zur Hafenmeisterei und wir waren angekommen. Es schwankte
ganz schön unter unseren Füßen, aber wir waren glücklich, wieder festen Boden zu spüren. Der Nachmittag verstrich schnell,
ich nutze die Möglichkeit, nach meinen Emails zu schauen und mich darum zu kümmern, dass meine Wäsche gewaschen
wurde. Dabei hatte ich Gelegenheit, etwas von dem Ort zu sehen, eine schöne Kirche, nette Häuser mit üppiger Vorgarten-
Vegetation, kleine Geschäfte, ein Markt. Während dessen wurde an Bord schon angefangen mit Saubermachen, Aufräumen,
Sachen packen. Am Abend gingen wir gemeinsam aus. Jürg hatte sich zunächst zwar noch mit einem Landsmann verabredet,
später stießen aber beide zu, und es wurde ein vergnüglicher Abend, erst im Restaurant, später in einer Bar und dann noch an
Bord. Die restlichen Bestände an Bier, Wein und Gin wurden in Angriff genommen bis die ersten irgendwann in die Koje
gingen und die anderen bei tropischen Temperaturen an Deck den Morgen erwarteten.
20.11.2011 - 16.12.2011
> Törn Canaren - St. Lucia