03.09.2011 - 24.09.2011
Southampton - Lissabon
Cay-Robert Malchartzeck cmalchartzeck@t-online.de
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Törnbericht Southampton-Lissabon   Seite 2
Dienstag, 6. September Seine grösste Stärke hat der Wind am Vormittag, da legt sich sogar das vertäute Boot schräg, und wer zu den Toiletten will, muss aufpassen, dass er nicht ins Hafenbecken geweht wird. Wir mieten ein Auto bei einer örtlichen Werkstatt, sie bringen es zu einem annehmbaren Preis sogar ans Boot. Danach müssen wir allerdings doch noch mal in der Werkstatt vorbeischauen, die nette Dame hatte einiges vergessen, einzutragen. “One of these days!” entschuldigt sie sich und bedankt sich bei uns. Newport. Schönes kleines Städtchen. Die Fussgängerzone unterscheidet sich wohltuend von dem standartisierten H&M/Vodafone/Zara-Einheitsbrei der Einkaufsstrassen auf dem Kontinent. Der Kulturschaffende hat Glück, er bekommt eine schicke Hose im Ausverkauf nachgeworfen, der Landwirt ersteht günstige Regenbekleidung zum Fahrradfahren. Nur der Skipper ist unzufrieden, niemand führt die von ihm gesuchten Dichtungen. Cowes. Noch schönere Fussgängerzone, aber auch hier hat der Schiffsausrüster nicht nur nicht die gesuchten Dichtungen, sondern verlangt für eine spezielle Glühbirne auch noch unverschämte 7 Pfund. Wir suchen Trost bei Fish&Chips, niemand von uns hatte diesen berühmten britischen Standardimbiss bislang probiert. Der Kulturschaffende kriegt mehr als fünf Bissen nicht runter, den anderen geht es nach dem Verzehr nicht gut. Starker Kaffee in einem sympathischen Café schafft Linderung. Die englischen Bevölkerung muss Mägen aus Edelstahl haben, in denen Schwefelsäure die fritierte Nahrung auflöst. Rundfahrt um die Isle of Wight. Zwar schränken Starkwind und Regen die Sicht empfindlich ein, die Landschaft ist dennoch beeindruckend. Die drei Landwirte der Crew kommentieren flüssig den Stand der Erntearbeiten, der Kulturschaffende hört still zu. Dann die südöstlichen Küste. Sie ist mit einer märchenhaften Flora gesegnet, die prachtvollen Gärten sind verschwenderisch mit Palmen, Hortensien und Fuchsien bepflanzt. Efeuüberwucherte Waldstücke wechseln mit gepflegten Parks und Dörfern wie aus einem ZDF-Fernsehfilm nach Rosamunde Pilcher. Plötzlich wechselt die Szenerie: Der Wind tobt über eine eher karge Küste und trägt Flocken aus der schäumenden See über die Knicks und Wiesen. Es sieht plötzlich aus wie in Irland. Olaf entdeckt eine vom Sturm angetriebene Boje, die man als Fender verwenden könnte, und turnt die Steilküste runter, um sie zu bergen. Im Auto merken wir am strengen Duft, dass sie von einem Fischkutter stammen muss. Der kleine Vergnügungspark an den “Needles” ist wegen des Sturms geschlossen, das Karussel hat empfindliche Schäden davongetragen. Ach ja: Die Dichtung bekommen wir in einer kleinen Landmaschinenwerkstatt für 15 Pence, die Glühbirne an einer Dorftankstelle für 60 Pence. Wieder zurück an Bord holen wir uns erstmal die Seewetterberichte. Es sieht so aus, als müssten wir noch einen Tag in Yarmouth warten, bis sich das Wetter einigermassen beruhigt hat. “You can`t do nothing...” 7. September: Immer noch eingeweht Skipper und Technischer Referent Olaf unterziehen der Nono einer gründliche Revision,  Bauer und Kulturschaffender machen sich mit anderweitigen Arbeiten nützlich. Aber irgendwann gibt’s nichts mehr zu tun, und sie gehen auf Exkursion: Manfred fährt mit dem Fahrrad über die Dörfer und landet in einem hinreissendem Pub, Wolf-Rüdiger fährt mit dem Bus zur “Freshwater Bay” und kriecht dort über die Steilküste und durch das alte Dorf. Eine echte Entdeckung ist die Landvilla “Dimbola”, in der Julia Margret Cameron, die Pionierin der englischen Fotografie, gelebt und gearbeitet hat. Eigentlich ist es nun von einem Verein als Fotografie-Museum eingerichtet, aber mit einer sehr rockigen Note. Neben einer Ausstellung alten 3D-Fotos und einer ständigen Dokumentation über Mrs Cameron hängen dort auch Plakate und Fotos vom Isle-of-Wight-Festival, der Mutter aller Rockfestivals, und Fotografien von Chris Gabrin aus den 70er und 80er Jahren, die Rockstars proträtieren. Viele von ihnen hat man schon auf Plattencovern oder in Magazinen gesehen, sie zeigen Blondie, Ian Dury, Elvis Costello und andere Berühmtheiten. “Dimbola” hat auch eine Bücherstube, einen Tearoom - und einen “Jimi-Hendrix-Garden” mit einer Bronzestatue des Meisters. Warum nicht. Abends dann die Ernüchterung: Die Prognosen der Seewetterberichte sind schlechter geworden. Wetterreferent und Skipper gehen alls verfügbaren Seiten durch, aber es nützt nichts: Morgen früh können wir nicht auslaufen. Wir hätten nach wie vor starken Wind und Welle genau gegen uns und würden kaum Boden gutmachen können. Also noch ein Tag in Yarmouth... Wir gehen in einen Pub und trösten uns mit englischen Pizzen und Curries. Dort können wir auch weit schneller ins Internet als mit der lahmen WiFi-Gurke, die den Hafen (für teure Gebühren!) versorgt.Bei nächster Gelegenheit will der Wettereferent einen Prügeltrupp bei der Firma Spektrum vorbeischicken, die für dieses Internet-Desaster verantwortlich ist. Aber alle Rachephantasien ändern nichts am Wetter: “You can’t do nothing”. 8. September: Immer noch Yarmouth Zwei Stunden alle Wetterberichte durchgesehen. Der Skipper sieht sich ausserstande, einen Ausflug zu machen. Er ist innerlich zu unruhig. Die anderen ziehen nochmal los. Der Bauer radelt auf dem ehemaligen Bahndamm nach Freshwater, der Technische Referent macht einen Spaziergang, der Wetterreferent nimmt den Bus über Newport an die Südküste. Die Busverbindungen auf der Isle of Wight sind vorbildlich, man kann solche Touren spontan machen, weil spätestens in einer halben Stunde ein Bus kommt. Viele davon sind Doppeldecker, und vom ersten Stock gewinnt man einen Einblick in das England hinter den hohen Hecken. Der Badeort Ventnor, das Ziel des KS, hat spektakuläre Villenviertel an einer steil abfallenden Küste mit grandiosen Aussichten auf das Meer, umrahmt mit üppigen fast schon subtropischen Pflanzen. Aber auch abgemaddelte Strassen, Spielautomatenschuppen, aufgebene Läden und jede Menge Häuser, die zum Verkauf stehen. Eine gregorianische Villa mit Meerblick für 500.000 Euro - da kann man nicht meckern! So schön, wie die Stadt ist: Ventnor sieht nicht so aus, als ob es eine glänzende Zukunft hätte... Und die nette ältere Dame im Bus meint: “Yes, I think, it’s september!”, als die Regenschleier über die Landschaft ziehen. In Newport stehen Heerscharen Jugendlicher, die zum Festival wollen, das an diesem Wochenende stattfindet. Sie wissen noch nicht, dass ihnen am Sonntag wahrscheinlich das Zelt wegfliegen wird. Zurück an Bord. Jetzt wissen wir, dass wir bis Samstag Mittag Zeit haben, in den nächsten Hafen zu kommen. Der Freitag soll grundsätzlich in unsere Richtung segelbar sein, also werden wir mit der Morgenflut auslaufen, und hoffen, dass die Zeit bis Dartmouth langt. Dort müssen wir das nächste Sturmtief passieren lassen.